Wer ist Catherine Reverdin?

Als ausgebildete Krankenschwester konnte ich – aus verschiedenen familiären und gesundheitlichen Gründen – nicht lange tätig sein. Ich bin Mutter von drei Kindern und habe drei Enkelkinder. Seit 15 Jahren bin ich geschieden und lebe allein in meiner Wohnung. Ich reise gerne und gehe gerne schwimmen und ins Theater, ausserdem lese ich viel. Darüber hinaus geniesse ich gemeinsame Aktivitäten mit meinen Enkeltöchtern, meine Verpflichtungen in Vereinen (Cap Contact, MS etc.) und für unsere Erde (Umwelt) sowie natürlich Begegnungen mit anderen Menschen. Ich bin neugierig auf das Leben und auf neue Technologien.

Wann haben Sie die MS-Diagnose erhalten?

Das war 1989. Ich litt damals bereits seit zehn Jahren immer wieder unter Entzündungen unbekannter Ursache und unter unerklärlichen Müdigkeitsanfällen.

Wie haben Sie die Diagnose verkraftet?

Zuerst wollte ich es nicht wahrhaben. Da waren schliesslich meine drei Kinder, mein Sport, Theater, Feste ... Ausserdem gab es Anfang der Neunzigerjahre noch nicht allzu viele Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten. Als sich die Krankheit weiterentwickelte und die Müdigkeit mein ständiger Begleiter war, wurde es schliesslich zu schwierig, alles zu bewältigen. Die Depression kam gerade rechtzeitig, sodass ich begann, mein ständiges Funktionieren zu hinterfragen. Sobald es mir besser ging, begann ich, Seminare zu besuchen, die von der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft organisiert wurden. Ich traute mich, um Hilfe zu bitten, und interessierte mich für verschiedene Forschungsprogramme, die damals noch in Planung waren oder bereits liefen (im Bereich Wissenschaft und Pharmakologie). Denn auch wenn ich diese Diagnose akzeptieren musste, konnte ich mich einfach nicht damit abfinden, untätig zu bleiben! 

Wie sah Ihr Leben vor dieser Diagnose aus und wie ist es heute?

Mein Alltag ist sehr aktiv, von Sport über die Familie bis hin zu meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen und dem Theater. Eigentlich übe ich ungefähr die gleichen Aktivitäten aus wie vor meiner Krankheit, aber ich plane diese im Alltag besser. Dabei achte ich auf die Müdigkeit und versuche vor allem, negativen Stress zu vermeiden. Vor allem achte ich auf meine Ernährung und darauf, dass ich ausreichend Gelegenheit habe, die Batterien wieder aufzuladen... Zum Beispiel beim Meditieren, Klavier spielen oder einfach nur beim Nachdenken.

Aufgeben oder kämpfen?

Definitiv kämpfen! Aber nicht gegen die Krankheit – das macht nur müde –, sondern gemeinsam mit ihr. Das heisst damit klarkommen, mit der Krankheit leben, ohne ihr jedoch zu viel Raum zu geben. Ich bin nicht die Krankheit, ich bin ich. Seit einigen Jahren betrachte ich MS als einen recht diskreten und wohlwollenden Mitbewohner. Ich bin nach wie vor ziemlich aktiv im sozialen Leben, und ich freue mich, dass ich mich einmal in der Woche um meine Enkeltöchter kümmern kann. Wenn ich mich einmal übernehme, ruft mich mein Körper zur Ordnung und zwingt mich dazu, mich auszuruhen. Auch wenn das bedeutet, dass ich manchmal Termine absagen muss. Aber sobald meine Batterien wieder aufgeladen sind, lege ich wieder los.

Woher nehmen Sie die Kraft weiterzumachen?

Ich denke immer positiv, und ich habe einen starken Willen. Ich liebe das Leben, und es gibt mir so viel zurück. Vor allem aber habe ich ein sehr gutes Umfeld, das mich unterstützt. Von meinen Kindern und Enkelkindern, meinen Alltagsbegleitern, meinen Therapeuten und einigen engen Freunden erhalte ich sehr viel Liebe und Unterstützung. Alle leisten einen Beitrag, der es mir erlaubt, ein erfülltes Leben zu führen. Und wenn mein körperlicher Zustand oder meine Laune mal nicht so gut sind, dauert das nie sehr lange. Ich hatte das Glück, dass ich mehrere Jahrzehnte lang lernen konnte, mit der Krankheit umzugehen. So konnte ich Ressourcen entwickeln, an die ich früher nicht geglaubt hätte.

Was ist Ihre grösste Leistung seit Beginn der Krankheit?

Eine Paddeltour über 1 km!

Was ist Ihr grösster Traum?

Ich habe mir schon so einige Träume erfüllt! Aber ich träume davon, noch einmal an einem Berglauf teilzunehmen.

Wie würde man Sie in einem einzigen Satz beschreiben?

Ein sonniges und selbstloses Gemüt. Oder, wie meine Kinder es ausdrücken würden: «Sie schafft es, das Leben und seine Unwägbarkeiten anzunehmen und diese zu ihren Verbündeten zu machen, um daran zu wachsen. Eine unglaubliche Widerstandskraft.»